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(Februar 2000)

Nana Mouskouri

Wolken, Wind und weiße Rosen

von Walter Hilbrecht

Das Lied "Weiße Rosen aus Athen" machte die in Deutschland bis dahin völlig unbekannte griechische Sängerin Nana Mouskouri über Nacht zum Star.

Nana Mouskouri

Am 5.August 1961 wurde der Titel erstmals in den Bestsellerlisten registriert. Ganz langsam schob er sich mehr und mehr nach vorn und konnte im Oktober den ersten Platz erobern. Die Platte verkaufte sich so gut, dass sie insgesamt 38 Wochen lang in den Charts vertreten war und schließlich vergoldet wurde.

Dass dieser Song beim Publikum so gut ankam, ist nicht weiter verwunderlich, denn er bot Schlagerromantik pur: eine betörend schöne, sehnsuchtsvolle Melodie und die ausdrucksvolle Stimme einer jungen Sängerin, die einen ganz eigentümlichen Reiz besaß, dem man sich nicht entziehen konnte.

Nana Mouskouri wird am 13.10.1936 in Athen geboren. Dadurch, dass ihr Vater Filmvorführer in einem kleinen Freilichtkino ist, bietet sich ihr schon als Kind die Möglichkeit, wann immer sie will bei den Aufführungen dabei zu sein.

Von der Leinwand geht für sie eine Art Magie aus und von den Geschichten, die sich dort abspielen, lässt sie sich in eine andere Welt versetzen. Daraus entwickelt sich der Wunsch, selbst einmal auf der Bühne zu stehen. Sie träumt davon, an der Oper zu singen und studiert nach Beendigung der Schule zunächst klassische Musik. Doch allmählich zeigt sie auch Interesse an anderen musikalischen Stilrichtungen und ist bald ein großer Fan von Ella Fitzgerald. Während sie tagsüber das Konservatorium besucht, tritt sie abends mit einem Programm aus griechischer Folklore und Jazz in den Tavernen ihrer Heimatstadt auf.

Dadurch lernt sie den Komponisten Manos Hadjidakis kennen, der von nun an Lieder für sie schreibt. Nachdem sie damit bereits erfolgreich an einem Festival in Griechenland teilgenommen hat, kann sie 1960 bei einem internationalen Gesangswettbewerb in Barcelona zum ersten Mal auch das Publikum außerhalb ihres Heimatlandes überzeugen.

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Dass sie bald darauf ihre erste Platte in deutscher Sprache aufnehmen kann, verdankt sie wiederum Manos Hadjidakis. Er ist inzwischen ein berühmter Mann, denn er hat die Musik zu dem Film "Sonntags nie" mit Melina Mercouri geschrieben, aus dem das Lied "Ein Schiff wird kommen" stammt, das sich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu einem Riesenerfolg entwickelte.

Daraufhin wird er mit Aufträgen überhäuft und man bietet ihm an, den Soundtrack für den deutschen Dokumentarfilm "Traumland der Sehnsucht", der das Kinopublikum mit den Schönheiten der griechischen Inseln vertraut machen soll, zu komponieren. Als Interpretin seiner Melodien wählt er Nana Mouskouri aus. Die beiden Lieder "Weiße Rosen aus Athen" und "Addio" werden auf dem schwarz-silbernen Etikett der Firma Fontana, die zur Philips-Gruppe gehört, auf dem deutschen Plattenmarkt veröffentlicht. Die Rückseite der Plattenhülle wird dazu benutzt, ein bisschen Werbung für die Interpretin zu machen.

Unter der Überschrift "Nana Mouskouri - die Stimme der Sehnsucht" liest man folgendes: "Da klingt eine Stimme aus Griechenland zu uns herüber, die ungewöhnlich ist. Ein wenig traurig, verhalten in der Leidenschaft, ein dunkelgetönter Traum - und doch so lebensverliebt, wie sich eine junge Frau aus dem klassischen Athen nur geben kann."

Paulchen Süß, Plattenprofi des Magazins BRAVO zeigt sich begeistert und bezeichnet Nana Mouskouri in einem Atemzug als eine Könnerin und eine Künstlerin. Zu den Songs schreibt er: "Beide Lieder haben den bittersüßen Reiz, der uns schon bei "Ein Schiff wird kommen" bezauberte. Es sind einfache, schlichte Melodien, die eigentlich moderne Volksweisen sind." 6

Tatsächlich lässt sich Hadjidakis von der traditionellen griechischen Folklore inspirieren. Für deutsche Ohren ist das seinerzeit etwas Neues und klingt ein wenig exotisch, was sicherlich auch zum Erfolg beiträgt. Großen Anteil daran hat aber vor allem die Stimme der Interpretin.

Nana Mouskouri, damals Mitte Zwanzig, entspricht äußerlich nicht unbedingt dem Bild, das man sich von einem Schlagerstar macht. Sie kleidet sich betont schlicht und eher unauffällig und trägt eine dunkel gerandete Brille, die ihr ein etwas strenges Aussehen verleiht.

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"Die Brille muss weg", ist denn auch das erste, was die Plattenmanager verlangen. Doch Nana Mouskouri bleibt standhaft. Rückblickend sagt die Sängerin, dass sie als junges Mädchen sehr scheu war und es ihr schwer fiel, sich selbst zu akzeptieren. "Ich hatte Komplexe wegen meines Aussehens", gibt sie zu. Doch nach und nach wächst ihr Selbstbewusstsein und weil sie erkennt, dass der modische Look, den ihr die Firma aufzwingen will, nicht zu ihrer Persönlichkeit passt, wehrt sie sich dagegen und setzt sich schließlich durch.

Die Bestätigung, dass sie damit richtig liegt, gibt ihr das Publikum, von dem sie so akzeptiert wird wie sie ist. Es ist gerade ihre bescheidene und unaufdringliche Art, mit der sie die Herzen der deutschen Schlagerfans im Nu gewinnt. 1962 schafft auch ihre 2.Single "Ich schau den weißen Wolken nach" - wieder komponiert von Hadjidakis - den Sprung auf Platz 1. Die Rückseite "Einmal weht der Südwind wieder" ist fast ebenso erfolgreich. Beide Titel werden hier auch von anderen Interpreten gecovert, doch diese Versionen können sich nicht durchsetzen.

Musikalische Konkurrenz bekommt Nana Mouskouri auch, als sie Ende 1962 den Hadjidakis-Titel "Was in Athen geschah" erneut eine Melodie aus einem Film - aufnimmt. Dieses Lied wird in einer mehr rhythmusbetonten Fassung zeitgleich von Hannelore Auer herausgebracht und sie hat umsatzmäßig die Nase vorn. Es ist und bleibt allerdings der einzige große Hit in ihrer Schlagerlaufbahn.

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Inzwischen hat sich Nana Mouskouri in der Schweiz niedergelassen. Fast überall in Europa : - vor allem aber in Deutschland - ist sie populär. Beim Grand Prix 1963 in London geht sie als Vertreterin Luxemburgs an den Start. Mit "A force de prier" landet sie aber nur auf dem 8.Platz. Auch die deutsche Fassung "Die Worte dieser Nacht" ist, gemessen an den Verkaufszahlen ihrer bisherigen Platten, kein großer Erfolg. Doch mit der Heinz Alisch-Komposition "Rote Korallen" kann sie sich dann wieder einen Spitzenplatz in den Hitparaden sichern.

1964 nimmt sie an den Deutschen Schlagerfestspielen in Baden-Baden teil und erreicht mit " Wo ist das Glück vom vergangenen Jahr" einen ehrenvollen 2. Platz. Auch dieser Song verkauft sich gut, ebenso der Nachzieher "Eine Insel im Meer".

Doch den Aufnahmen, die sie anschließend in Deutschland veröffentlicht, ist nur noch wenig Erfolg beschieden. Die Musikszene wird inzwischen vom Beat beherrscht.

Jugendliche Stars, vor allem Gruppen sind gefragt und die englische Sprache dominiert. Selbst als ihr Landsmann Leo Leandros, der als Produzent seiner Tochter Vicky erste Hit-Lorbeeren einheimst und unter dem Pseudonym "Five Tops" selbst in den Charts vertreten ist, Titel für sie schreibt, reicht das nicht zu einem Hitparaden-Comeback.

In Frankreich, wo sie nicht so sehr auf den kommerziellen Tagesschlager festgelegt ist, feiert sie weiterhin Triumphe und so wird Paris ihre künstlerische Wahlheimat. Die Kontakte zum deutschen Musikgeschäft reißen aber nie ganz ab und Anfang der 70er Jahre macht sie auch wieder Aufnahmen in deutscher Sprache. Zunächst jedoch ohne besondere Resonanz. Erst 1975 kann sie sich mit "Komm, komm, sag uns deinen Traum" wieder in den Bestsellerlisten platzieren. Von nun an taucht sie hierzulande wieder regelmäßig in den Hitparaden auf. Sie veröffentlicht bei uns aber nicht nur Coverversionen internationaler Songs, sondern auch Lieder deutscher Autoren. Großen Erfolg hat sie beispielsweise mit dem von Rolf Soja komponierten Titel "Lieder, die die Liebe schreibt" (1978) oder mit dem Ralph Siegel-Song "La Provence" (1981).

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Sie tritt in allen wichtigen Fernsehshows auf und wenn sie auf Tournee geht, singt sie stets vor ausverkauften Häusern. In Großbritannien kann sie 1986 mit "Only Love", dem Titelthema der TV-Serie "Mistral's Daughter" ebenfalls einen Hit landen. 1997 wird ihr in Frankreich, wo sie immer wieder im "Olympia" gastiert, eine besondere Ehre zuteil: Für ihre künstlerischen Verdienste wird sie in die Französische Ehrenlegion aufgenommen.

Nana Mouskouri ist auf allen internationalen Bühnen zuhause und hat in den letzten 40 Jahren mehr als 300 Goldene Schallplatten sammeln können. Die Künstlerin wird nicht nur vom Publikum geliebt, auch namhafte Sänger-Kollegen wie Peter Maffay oder Udo Jürgens schätzen ihre Art und sind beeindruckt von ihrem Können.

Mit Chris de Burgh ist sie befreundet, mit Harry Belafonte ging sie in den USA auf Tournee. Selbst Udo Lindenberg, der ihr sogar einen Song widmete, outete sich als Nana-Mouskouri-Fan. "Ich finde es wunderbar, wie sie singt. Es berührt mich", sagte er.

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Nach dem Ende der Militärdiktatur kehrte die Sängerin 1984 nach über 20 Jahren in ihre griechische Heimat zurück. Aus diesem Anlass trat sie damals vor mehreren tausend Zuschauern im Amphitheater unter der Akropolis auf und gab, wie sie selbst sagt, das "Konzert ihres Lebens".

Über all die Jahre hinweg hat sie äußerlich den ihr eigenen Stil beibehalten: langes Haar, Mittelscheitel, fließende Gewänder und natürlich die Brille, die heute allerdings eine etwas modischere Form besitzt. Diese unverwechselbare Optik macht sie speziell für die Travestie-Szene interessant: Nana Mouskouri gehört dort zu den am meisten imitierten Sängerinnen überhaupt.

Eigentlich ist sie ein Anti-Star, denn bei ihren Auftritten verzichtet sie auf die üblichen Show-Effekte und auf Glanz und Glamour. So etwas braucht sie nicht.

Allein mit ihrer einzigartigen Stimme versteht sie es, die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Und auch nach der Vorstellung nimmt sie sich Zeit für die Leute, unterhält sich mit ihnen und zeigt Interesse an ihren Problemen.

Dass sie sich als UNICEF-Sonderbotschafterin für die Kinder in ärmeren Ländern engagiert, wissen die wenigsten. Auch dass sie 1994 als Abgeordnete ins Europa-Parlament gewählt wurde, ist weitgehend unbekannt.

Heute lebt die Sängerin, die zwei längst erwachsene Kinder hat, in einem Vorort von Athen nahe am Meer. Sie fühlt sich in vielen Ländern zuhause, aber hier ein bisschen mehr.