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(Dezember 1998)
Hans Hass jr.
Mit eigenwilligen Songs auf neuen Wegen
Dass Künstlerblut in seinen Adern fließt, wen wundert's - bei dem Familienclan: Er ist der Sohn des bekannten Tiefseeforschers und Dokumentarfilmers Dr. Hans Hass und der erfolgreichen Film- und Bühnendarstellerin Hannelore Schroth. Auch seine Großmutter Käthe Haack und sein Onkel Carl-Heinz Schroth zählten zu den Größen der Schauspielerzunft. Und da der Apfel bekanntlich nicht weit vom Stamm fällt, macht auch der am 03.09.1946 in Salzburg geborene Hans Hass jr. bald seine ersten Gehversuche im Showgeschäft.
Zunächst besucht er ein Prominenten-Internat in Schleswig-Holstein. Ein besonders fleißiger Schüler ist er jedoch nicht. Sein Interesse gilt eher sportlichen Aktivitäten, beispielsweise dem Segeln. Außerdem spielt er in einer Schülerband und ist hier mit vollem Einsatz bei der Sache, während er im Unterricht den nötigen Ehrgeiz oft vermissen lässt. Er verlässt die Schule mit der mittleren Reife und zieht zu seiner Großmutter nach Berlin. Dort beginnt er eine Schauspielausbildung, nimmt Tanz- und Gesangsunterricht und verbessert seine Fremdsprachenkenntnisse. Die absolute Hauptrolle spielt für ihn die Musik.
Im Keller richtet er sich ein kleines Studio ein, in dem er ungestört experimentieren kann und schon bald erarbeitet er auf dem Klavier eigene Kompositionen.
Durch die Vermittlung von Heino Gaze erhält er einen Plattenvertrag bei Decca und 1965 nimmt Werner Müller mit ihm die erste Single auf. Das Lied von der Englischlehrerin "Miss Tippletown", deren kurvenreiche Figur die Schüler weitaus mehr beschäftigt als das, was auf dem Lehrplan steht, kann nicht nur mit einem witzigen Text, sondern auch mit akustischen Gags aufwarten.
Damit gibt der junge Nachwuchsinterpret einen gelungenen und viel beachteten Einstand auf dem deutschen Schlagermarkt. Auf der Rückseite des Plattencovers wird Werner Müller zitiert, der über seinen Schützling sagt: "Aus solchem Holz sollten die Stars von morgen geschnitzt sein, die länger in den Hitparaden Triumphe feiern als einen mageren Schlager lang".
Den ersten Fernsehauftritt mit "Miss Tippletown" hat Hans Hass in der Sendung "Schaufenster Deutschland". Und da er ein ausgesprochener Mädchentyp ist, muss BRAVO-Mitarbeiter "Harry Fox" anschließend eine Menge Briefe von zumeist weiblichen Lesern beantworten, die mehr über den Newcomer wissen wollen.
Nach "Miss Tippletown" folgen weitere Singles, die zwar alle ganz ordentlich laufen, aber keine wirklichen Hits werden. Deshalb beschränkt sich Hans Hass jr. fortan nicht nur auf seine gesanglichen Fähigkeiten. Um auch seine weiteren Talente unter Beweis zu stellen, geht er als Schauspieler mit dem Stück "Philomena Maturano" auf Theater-Tournee. Daneben komponiert er die Musik für eine TV-Serie und schreibt für "Lord Knut" den Song "Love Is A Waiting Game". Auch in diversen Fernsehshows ist er mit von der Partie und hat 1966 in Gisela Schlüters Zwischenmahlzeit" einen gemeinsamen Auftritt mit seiner Mutter Hannelore Schroth.
Im Sommer 1967 spielt er im Theater des Westens in Berlin die Hauptrolle in der ersten Beat-Oper "Robinson 2000". In diesem Stück muss er nicht nur singen und tanzen, sondern Abend für Abend ein Dutzend Mädchen küssen.
Nachdem sein Plattenvertrag bei Decca ausgelaufen ist, bietet ihm das Kleinlabel "Mondial" eine neue musikalische Heimat. Hier gewährt man ihm ein hohes Maß an künstlerischer Freiheit und so schreibt er von nun an seine Songs und Texte selbst. Doch nach zwei anspruchsvollen, aber erfolglosen Singles wird 1968 das Autorenteam Joachim Heider & Michael Holm damit beauftragt, ihn plattenmäßig mit dem richtigen Material zu versorgen.
Mit "Lieb' mich" ist er dann immerhin in der ZDF-Drehscheibe zu sehen, und es zeichnet sich ein deutlicher Aufwärtstrend ab. Doch "Mondial" kann sich nicht am Markt halten und Hans Hass muss eine musikalische Zwangspause einlegen. Diese nutzt er, um eine Filmkarriere zu starten. "Atemlos vor Liebe", "Der Hexentöter von Blackmoor", "Liebling, sei nicht albern" und "Flug zur Hölle" sind einige der Filme, in denen er 1970/71 vor der Kamera steht. Als "Hans Hass jr." gehört er nun zur Riege der prominenten Jungstars. Doch trotz seiner Leinwanderfolge bleibt sein Interesse an der Popmusik bestehen.
Mit den ausgelutschten Schlagerthemen von Sehnsucht und Liebesleid hat er allerdings nichts mehr am Hut. Mit einigen selbstproduzierten Demos, die seine Singer-/ Songwriter-Qualitäten ebenso widerspiegeln wie die Vielfalt seiner musikalischen Ideen, klopft er bei verschiedenen Plattenfirmen an. Aufgrund seiner Popularität öffnen sich ihm viele Türen und Anfang 1972 veröffentlicht er bei "Polydor" die Single "Sentimental John".
Dieser sanfte Protestsong hebt sich ein bisschen ab vom üblichen Schlagereinerlei. Ein kommerzieller Erfolg wird es jedoch nicht. Zu dieser Zeit macht ein neuer amerikanischer Folk-Star in den deutschen Hitparaden Furore: Don McLean. In seinem Song "American Pie", den er selbst geschrieben hat, besingt er den Tag, als die Musik stirbt. Hans Hass ist begeistert von diesem recht ausgefallenen Titel und möchte ihn unbedingt covern. Trotz mancher Hindernisse kann er dieses Vorhaben schließlich durchsetzen. Texterin Anja Hauptmann schafft es, die phantasievoll bizarre Bildsprache und die eigenwillige Poesie des Originals angemessen ins Deutsche zu übertragen. So entsteht eine Aufnahme, die zu jener Zeit auf dem deutschen Schlagermarkt wohl einzigartig ist. Ebenso wie Don McLeans Fassung wird auch die Version von Hans Hass in Part 1 & Part 2 unterteilt, d.h., auf der Rückseite der Platte befindet sich eine Fortsetzung des Liedes, so dass der Titel insgesamt eine Dauer von 9 Minuten aufweist.
Die Resonanz bei den Radio-Sendern ist eher verhalten und fast sieht es so aus, als ob Hans Hass auch mit dieser Produktion baden geht. Dann aber wendet sich das Blatt. Die Redakteure der ZDF-Hitparade, denen von den Plattenfirmen überwiegend rhythmische Mitklatschnummern und leichtgewichtige Tralala-Liedchen angeboten werden, picken aus den Vorschlägen ausgerechnet "American Pie" heraus, gerade weil dieser Titel ein bisschen aus dem Rahmen fällt. Und so darf Hans Hass seinen Song am 10.Juni 1972 in der populären Schlagershow einem Millionenpublikum präsentieren und wird zweimal unter die ersten Fünf gewählt.
Natürlich kurbelt das den Plattenverkauf an. Man reißt sich um den neuen Shooting-Star. Unvermittelt steht der Sänger unter Erfolgsdruck, soll einen gleichwertigen Nachfolgehit abliefern. Doch er lässt sich vom kommerziellen Sog der Plattenindustrie nicht einengen und geht konsequent seinen eigenen Weg.
Er unterschreibt einen Vertrag bei "United Artists", denn dort bietet man ihm die Möglichkeit, seine eigenen musikalischen Vorstellungen zu entwickeln und zu verwirklichen. Obwohl seine Einstandssingle "Augen zu" sich als "hitparaden-untauglich" erweist, setzt man ihn seitens der Firma nicht unter Druck. Seine nächste Platte "Was soll ich tun" besticht durch ein ausgefeiltes und opulentes Klangdesign und gehört wahrscheinlich zu den besten deutschen Popsongs der 70er Jahre. Die Aufnahme wird jedoch - möglicherweise wegen des Textes - in dem manche einen homoerotischen Unterton zu erkennen glauben - von den Rundfunkleuten sträflich missachtet. So floppt nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Medienpräsenz auch diese Single.
Sich damit abzufinden, fällt Hans Hass nicht ganz leicht. Ein Angebot für einen Kinofilm kommt ihm in dieser Situation gerade recht, und so fliegt er erst einmal in die Karibik, wo er unter der Regie von Harald Reinl den Abenteuerstreifen "Ein toter Taucher nimmt kein Gold" dreht.
Zurück in München bereitet er eine neue Single vor. Diesmal schlägt er etwas kommerziellere Töne an. Mit "Rock-A-Dee-Baby" wird er nach fast 2-jähriger Pause auch wieder in der ZDF-Hitparade vorgestellt. Platzieren kann er sich jedoch nicht. Seine Firma glaubt nach wie vor an ihn und ermöglicht ihm die Produktion einer Langspielplatte, die den Titel "Reise in eine glückliche Zukunft" trägt. In der dazu anlaufenden Werbekampagne heißt es "Der Sänger, Komponist und Selbstproduzent präsentiert sein erstes Album. Eigenwillig mit absolut persönlicher Note sind diese Songs, die mehr wollen als nur unterhalten". Als dann aber das Album und die daraus ausgekoppelte Single "Kaufen Sie Blumen" umsatzmäßig weit hinter den Erwartungen bleiben, führt das dazu, dass United Artists sich letztendlich dann doch von dem Künstler trennt.
Hans Hass muss erkennen, dass die Zeit für seine anspruchsvollen Texte und seine ambitionierten Konzepte einfach noch nicht reif ist. Er passt in keine Schublade, lässt sich weder als Schlagersänger noch als Liedermacher einordnen. Dennoch macht er unbeirrt weiter und bereitet sein nächstes musikalisches Projekt vor, dem er den Titel "Sonnenland" gibt.
Doch dafür findet er in der Plattenindustrie keinen Partner und so zieht er sich schließlich ganz aus dem Showgeschäft zurück. Heute soll er als Anführer einer Gruppe von Gleichgesinnten auf Ibiza leben und gemeinsam mit seinen "Jüngern" die Sonne anbeten.