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(Juni 2002)

Sonja Siewert und Herbert Klein

von Siegfried Trzoß

Immer mal wieder wird hier und dort Rückschau über die deutsche Tanz- und Unterhaltungsmusik gehalten. Die einen Schlagerfreunde lebten u.a. von den "Schlagern der Woche", mit denen der RIAS präsent war und schwärmen noch heute von Caterina Valente, Rita Paul, Peter Alexander und Bully Buhlan - die anderen hörten die Quermannsche "Schlagerlotterie", die spätere "Schlagerrevue", in denen Interpreten wie Julia Axen, Brigitte Rabald, Fred Frohberg oder Sonja Siewert und Herbert Klein die Hörer erfreuten. Letztgenannte belegten in diesen Schlagersendungen ("Sie hören, raten und gewinnen...") vordere Plätze mit Titeln wie "Wenn man so jung ist wie du", "Droben am Himmel", "Zwei Verliebte" oder "Wenn wir beide durch die Straßen geh'n."

Sonja Siewert und Herbert Klein

Sonja Siewert und Herbert Klein gehören mit zu den ersten, die in den Nachkriegsjahren vor den Mikrofonen des Rundfunks, später des Fernsehens, standen und dazu beitrugen, dass die Menschen wieder ein geregeltes Leben fanden. Zunächst in Ost und West: ihre erste Duett-Schallplatte "Eine weiße Hochzeitskutsche", erschien 1951 im Jahr ihrer Hochzeit, bei Odeon.

Sonja Siewert lernte mit zehn Jahren Akkordeon spielen und ist mit zwölf Jahren bereits am Konservatorium anzutreffen, wo sie zuzüglich noch Klavier, Harmonielehre und Musikgeschichte studiert. Nicht verwunderlich ist, dass Sonja bereits 1945 auf verschiedenen Bühnen auftritt. Zunächst als Hein Mück mit dem Akkordeon. Auf Angebot eines Kapellenleiters wird sie in einer "Damen-Schau-Kapelle' eines der Alberti-Mädels, bevor sie sich in einer Band als Saxophonistin, Akkordeonistin und Sängerin vorstellt. Beruflich führen sie 1947/48 Gastspiele nach Göhren auf die Insel Rügen. Hier lernt sie Herbert Klein näher kennen, beruflich wie privat. Doch Sonja geht zunächst eigene solistische Wege; produziert mit dem Orchester Kurt Widmann 1949 ihre erste Rundfunkaufnahme "Nanu, du machst ja heute so auf Liebe" und wird ständige Sängerin beim Leipziger Tanzorchester Kurt Henkels.

Ihre erste Schallplatte "Oh Barnabas", wird produziert. In der Folgezeit wird ihr Name zum Begriff für flotte, jugendlich-kesse Tanztitel im Swing-Rhythmus. Schlager wie "Meine Mutti hat zu mir gesagt - das ist nichts für kleine Mädchen", Hallo, wer klopft dort an der Tür", "Wer hat mich angelacht", "Ich sag vielleicht", oder "Junger Mann, Sie haben keine Ahnung" sprechen für sich.

Mit namhaften Bands der DDR – Alo Koll, Günter Gollasch, Fips Fleischer, Dresdner-Tanzsinfoniker - gastiert Sonja Siewert im In- und Ausland. Sie singt erfolgreich im Duett, nicht nur mit Ehemann Herbert Klein. Die Schlager "Der Schmied von Oberammergau" mit Ralf Paulsen oder "Blaues Boot im Sonnenschein" mit Armin Kämpf, sind aus den täglichen Musikprogrammen nicht wegzudenken. Ebenfalls die Produktionen mit Werner Hass.

Sonja Siewert

Seit Mitte der 60er Jahre erlebt man eine andere Sonja Siewert, nicht nur in der Stimmlage, auch inhaltlich mit gewachsenem Anspruch. Sie singt angejazzte, swingende wie besinnlich, langsame Titel. Funkaufnahmen mit dem Orchester Siegfried Mai, dem Tanzstreichorchester des Deutschlandsenders oder mit Harry Seeger und seinen Formationen belegen das, aber auch die 1970 erschienene LP bei Amiga "Träumend geht der Tag zu Ende" auf der sie im Duett mit dem Schweizer Sänger Rec Demont zu hören ist.

Herbert Klein interessierte sich schon in jungen Jahren für die Musik. Zunächst im Schulchor, dann im Akkordeonorchester und später mit Liedern zur Gitarre. Mit Letztgenanntem reiht er sich ein in die Liste der Bewerber bei Fred Gardo, der Musiker für die Gründung einer Tanzkapelle suchte. Seine Stimme und sein musikalisches Talent gefallen und es kommt zum ersten Engagement.

1948 folgt ein Gastspiel im "Rheinschlösschen" zu Göhren auf Rügen. Hier lernt er nicht nur Sonja Siewert kennen, auch Bully Buhlan, Rita Paul und Fritz Schulz-Reichel. Es wurden Kontakte geknüpft, die Herbert Klein in Rundfunk- und Schallplattenstudios führen. Er singt 1950 mit dem Golgowsky-Quartett, ist im Background von Lys Assia und Vico Torriani zu hören, wird Duett-Partner von Ehefrau Sonja und produziert seine eigenen Titel, mit denen er bis heute aktiv auf der Bühne zu erleben ist. Schlager wie "Du hast so wunderschöne blaue Augen", "Nach Regen scheint Sonne", "He' Fräulein" sind Insidern noch gut im Ohr, aber auch der 1986 im Funk produziert und von Amiga übernommene stimmungsvolle Walzer "Wir über 60". Die Namen Sonja Siewert und Herbert Klein stehen auch für künstlerische Vielseitigkeit. So gründeten sie 1953 die Gesangsgruppe "Singende Vier" mit Ilse und Werner Hass. An der Seite von Fred Frohberg konnte man die "Singende Vier" u.a. im ersten Musik-Film der DEFA "Musik, Musik, Musik" als flotte Süßwasser-Matrosen bei dem Song ,,Einsam liegt mein Schiff im Hafen" erleben.

Herbert Klein

Fünf Jahre später auf Wunsch der Schallplatte - erblicken die ,,Flamingos" (Sonja Siewert, Herbert Klein und das Horlan-Trio) die Schlagerwelt, gleichzeitig hören wir die Stimme von Herbert Klein auch noch in den "Picobellos" (Herbert Klein und das Horlan-Trio). Viele Gruppen-Titel wie etwa ,,Das kann nur die Liebe sein", "Komm doch mit in den Thüringer Wald" oder "Traumtango" (alle von den Flamingos), wurden Hits. Vordergründig begleiteten die genannten Gesangsgruppen bis Mitte der 60er Jahre aber alle namhaften Schlagersänger der DDR bei Funk- und Fernsehproduktionen, sowie Schallplattenaufnahmen.

1989 produzierte das "singende Ehepaar" letztmalig gemeinsam im Rundfunkstudio. Aus Anlass ihres 40-jährigen Funkjubiläums vertonte der Komponist Hans Bath meinen Text "Liebling, wie die Zeit vergeht", der auch im gleichen Jahr von Amiga übernommen wurde. Sonja Siewert singt dieses Lied mit dem immer noch "swingenden Kick" und der charmanten Keckheit in der Stimme, natürlich reifer; Herbert Klein mit dem ach so schönen tenoralen Schmelz.

Und ich denke beim Hören dieser Aufnahme an ganz private Erlebnisse, die ich mit beiden Interpreten in den vergangenen Jahrzehnten genießen durfte: ein Gläschen Wein nach so mancher Veranstaltung im Friedrichstadtpalast, ein Plausch nach gelungener Funk- oder Fernsehproduktion, ein schmackhaftes Essen in ihrer gemütlichen Berliner Wohnung im Prenzlauer Berg, an temperamentvolles Skaten, an .... fast eintausend Produktionen, darunter auch ausländische Aufnahmen, künstlerischer Vielfalt von denen ich einige hundert privat besitze.

Sonja Siewert und Herbert Klein haben ein Stück Schlagergeschichte geschrieben, DDR-Schlagergeschichte. Beide erlebten in ihrer aktiven Laufbahn nicht das Wetteifern zwischen Produzenten und Plattenfirmen, rangen nicht um Marktberechtigung im gegenwärtigen Sinne. Sie lebten im Osten Deutschlands. Dennoch sollte ihnen im gesamtdeutschen Schlageralbum ein Platz vorbehalten sein. Ein würdigerer als die veröffentlichten Folgen des "Amiga-Archiv" es tun.