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(Juni 2002)
Ines Taddio
Zu Beginn der 60er Jahre versuchte Ines Taddio, in der deutschen Schlagerszene Fuß zu fassen. Die italienische Herkunft sah man der attraktiven Blondine nicht auf Anhieb an. Es waren eher ihr sprühendes Temperament und der gewisse Akzent, die sie als Südländerin auswiesen.
Die in Enemonzo - in der Nähe von Udine - geborene Sängerin (28.12.) sollte eigentlich Lehrerin werden. Nach dem Staatsexamen geht sie aber auf Wunsch des Vaters erst einmal nach Salzburg, um Deutsch zu lernen.
Dass das Sprachstudium bald nur noch eine Nebenrolle spielt, liegt an ihrer Deutschlehrerin. Diese arbeitet beim Rundfunk und weil sie erkennt, dass die junge Italienerin eine interessante Stimme und das nötige Gesangstalent besitzt, überredet sie Ines Taddio zu einem Vorsingen bei Radio Salzburg.
Dort ist man mit dem Ergebnis mehr als zufrieden und produziert sofort ein paar Aufnahmen für den Funk. Diese werden auch von den italienischen Radiostationen übernommen und der Sender Rom bietet der Sängerin einen Jahresvertrag.
So kommt es, dass sie ihr Domizil in der Ewigen Stadt aufschlägt. Von nun an wirkt sie bei vielen öffentlichen Veranstaltungen des Senders mit und nimmt etliche Titel für den Hörfunk auf.
Rom ist zwar eine herrliche Stadt, doch das Leben dort hat auch Schattenseiten. Ines Taddio ist eine äußerst reizvolle Erscheinung. Mit ihrem blonden Haar und ihrer tollen Figur fällt sie überall auf. Und da es keinen Mann an ihrer Seite gibt, laufen ihr die Verehrer gleich scharenweise nach. Das wird ihr bald lästig, nach nur sechs Monaten steigt sie aus ihrem Vertrag aus und kehrt nach Salzburg zurück. Beim Rundfunk findet sie schnell wieder Anschluss und arbeitet später auch als Sängerin für Radio Wien. 1956 werden von der Austroton einige Titel von ihr auf Platte veröffentlicht. Dazu gehört der Valente-Hit "Bonjour Kathrin", der hierzulande in der Originalversion ein beachtlicher Erfolg war.
In der seinerzeit populären Radiosendung "Musik kennt keine Grenzen", an der sich mehrere europäische Länder beteiligen, tritt Ines Taddio ein paar Mal als Vertreterin des Österreichischen Rundfunks auf.
Das Programm wird auch von den deutschen Sendeanstalten ausgestrahlt und so kommt es, dass der bekannte Komponist Heinz Gietz 1958 auf die Stimme der Italienerin aufmerksam wird.
Er produziert, gemeinsam mit Kurt Feltz, für die Polydor eine der damals erfolgreichsten Sängerinnen: Caterina Valente.
Doch zu diesem Zeitpunkt steht bereits fest, dass Caterina die Firma zum Jahresende verlassen und zur Decca wechseln wird, weil sie sich dort bessere Voraussetzungen für eine internationale Karriere erwartet.
Gietz und Feltz halten also bereits Ausschau nach einer Sängerin, die den freiwerdenden Platz der Valente einnehmen könnte und beide sehen in Ines Taddio eine potentielle Nachfolgerin.
Anfang 1959 gibt sie mit den Titeln "Signore" und "Blühender Mohn" ihr Plattendebüt bei der Polydor. Beide Songs verbreiten ein gewisses südländisches Flair und werben mit der typischen Schlagerpoesie der ausgehenden 50er Jahre um die Gunst der Konsumenten. Auch in diversen Fernsehsendungen stellt sich die Sängerin dem deutschen Publikum vor.
Da sie auch in anderen europäischen Ländern mittlerweile nicht mehr ganz unbekannt ist, nimmt sie einige ihrer Titel gleich in mehreren Sprachen auf. Auch der vom Team Gietz/ Feltz geschriebene Hit "Mal sehn, Kapitän" - einer der letzten Schlager, den Caterina Valente 1958 für die Polydor einsang - wird mit Ines Taddio in Italienisch und Französisch auf das Originalplayback synchronisiert. Natürlich erscheinen auch regelmäßig deutschsprachige Singles, doch der erhoffte Plattenerfolg läßt auf sich warten. Erst Anfang 1961 kann sie sich mit "Carusello Italiano" bei den Schlagerfans durchsetzen. Mit einem Auftritt in "Und du mein Schatz bleibst hier" gelingt ihr auch der Einstieg ins Musikfilmgeschäft.
Doch gerade in dem Moment, als ihre Plattenkarriere endlich in Schwung kommt, verläßt Heinz Gietz - der auch "Carusello Italiano" komponierte - die Polydor und wandert zur Electrola nach Köln ab. Ines Taddio ist zunächst unschlüssig, denn bei der Polydor setzt man immer noch auf sie. Sie entschließt sich dann aber, die Zusammenarbeit mit Gietz fortzusetzen und heuert ebenfalls bei der Electrola an. Andere Interpreten, darunter Bill Ramsey, machen es genauso.
Innerhalb der nächsten drei Jahre werden insgesamt fünf Singles von Ines Taddio veröffentlicht, doch keine davon bringt ihr den kommerziellen Durchbruch. Dabei hat sie längst einen relativ hohen Bekanntheitsgrad, denn bei Film und Fernsehen reißt man sich um sie.
Doch am Beispiel der blonden Italienerin zeigt sich, dass Talent und stimmliche Qualitäten keine Garantie sind für Erfolg in den Hitparaden.
Und doch war Ines Taddio seinerzeit ein Star. Sie kann auf eine glanzvolle Karriere zurückblicken, deren Schwerpunkt viele umjubelte Auftritte auf den Bühnen internationaler Showpaläste sind. Bereits 1959 ist sie neben Edith Piaf und Charles Aznavour Stargast beim Festival in Knokke. 1961 nimmt sie am Schweizer Vorentscheid zum Grand Prix teil. Sie tritt bei vielen musikalischen Wettbewerben in ganz Europa auf, arbeitet mit fast allen großen Orchestern und namhaften Showkollegen zusammen.
Als eine der ersten westlichen Interpretinnen geht sie auf Tournee durch die Ostblockländer und begeistert auch dort das Publikum. In Ungarn veröffentlicht sie bis Mitte der 60er Jahre mehrere Schallplatten und hat mit ihrer Fassung des Pat-Boone-Hits "Speedy Gonzales" sogar einen Bestseller.
1964 gehört sie neben Monika Grimm, Will Brandes und dem Medium Terzett zu den Solisten, die das Orchester Kurt Edelhagen auf eine Gastspielreise durch die UdSSR begleiten. Und auch in der damaligen DDR wird sie als Künstlerin geschätzt.
Ständig unterwegs zu sein, von einem Auftrittsort zum nächsten zu hetzen - das machte Ines Taddio anfangs nicht viel aus. Irgendwann aber ändert sich das. Da sie in einem intakten Elternhaus aufwuchs, bedeuten ihr familiäre Bindungen sehr viel. So träumt sie immer öfter von Geborgenheit, von einer eigenen Familie und einem festen Zuhause. sie den Kölner
Mitte der 60er Jahre heiratet Kaufmann Karl Bach und etwas später kommt Sohn Carlo zur Welt.
Das Showgeschäft spielt von nun an nur noch die zweite Geige im Leben von Ines Taddio. So ganz mag sie aber nicht auf die Bühne verzichten. Doch da sie nur noch hin und wieder auftritt, ist sie vorher jedesmal wahnsinnig aufgeregt und leidet immer häufiger unter Sehstörungen, die durch den Stress hervorgerufen werden. Aus diesem Grund hängt sie ihre Karriere schließlich endgültig an den Nagel.
Als ihr Mann Ende der 70er Jahre stirbt, geht sie mit ihrem Sohn nach Italien. Carlo ist heute ein bekannter Künstler, der mit seinen Werken auch auf internationaler Ebene Anerkennung genießt, worauf die Mama natürlich stolz ist.
Ines Taddio kehrte vor einigen Jahren zurück nach Köln. Ihr gefällt es hier, denn die italienische Lebensart und die rheinische Mentalität haben viel gemeinsam.
Sie hat hier inzwischen eine Menge Freunde und widmet sich nebenbei ihrem Hobby, der Fotografie.
Für die Fans von Ines Taddio hat BEAR FAMILY eine CD veröffentlicht, auf der es ein Wiederhören mit der charmanten Italienerin und ihren alten Aufnahmen gibt.